Ortsverein vor Ort-Veranstaltung – Besuch der Römerstadtschule am 12.06.2014

Ein Rückblick von Tanja Clauss

Ortsverein vor Ort‘“ heißt die neue Veranstaltungsreihe des SPD-Ortsvereins Nordweststadt Süd. Miteinander erfahren, um miteinander zu gestalten. Unter diesem Motto wird der Ortsverein mit interessierten Mitgliedern sowie mit interessierten Bürgern Orte und Einrichtungen des Stadtteils besuchen.

Im Rahmen der Auftaktveranstaltung zur Reihe haben wir am 12.06.2014 die Römerstadtschule besucht.

Heike Schley, die Schulleiterin der Römerstadtschule, hat uns das neue Schulkonzept vorgestellt, Beweggründe hierfür geschildert und über die ersten Erfahrungen berichtet.

Auf dem Weg zu einer inklusiven Schule befindet sich die Römerstadtschule im Frankfurter Stadtteil Heddernheim mit der Einführung des Integrativen Unterrichts schon seit dem Jahr 1988. So gilt die Schule in ihrem Wirken für die Integration behinderter Kinder, der heutigen Inklusion, schon seit Jahrzehnten als wegweisend.

Bis zum Schuljahr 2006/2007 konnte die Schule zwei der vier Klassen pro Jahrgang inklusiv beschulen. Mit dem Argument, die Integrations- bzw. Inklusionsleistungen an den Schulen im gesamten Stadtgebiet breiter zu streuen, d. h. die Förderschullehrkräfte mit ihren Stundenbudgets an möglichst vielen Schulen einzusetzen und auf alle Stadtteile zu verteilen, musste sich die Schule auf eine einzügige integrative bzw. inklusive Beschulung beschränken. Durch diesen tiefen Einschnitt kam die Schule, die sich bis dahin in hohem Maße über ihre anerkannte Inklusionsarbeit, die nicht nur den Kinder mit erhöhtem Förderbedarf zu Gute kam, definierte und ihr Leitbild daraus ableitete, in eine Krise. Die Schule mit ihren Lehrkräften sah sich in Ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt.

Durch diesen schulpolitisch verordneten Wegfall der zweiten Integrationsklassen im Schuljahr 2007/2008 sah sich die Schule dann gezwungen, neue Wege zu beschreiten.

Einerseits sollten so viele Kinder wie möglich, die einen erhöhten sonderpädagogischen Förderbedarf hatten, in den Genuss einer ihnen zustehenden inklusiven Beschulung kommen. Auf der anderen Seite nahm durch immer schwieriger werdende soziale Entwicklungen im Stadtteil die Zahl der Kinder zu, die grundsätzlich einer erhöhten pädagogischen Aufmerksamkeit bedurften und von dem im inklusiven Unterricht verankerten differenzierten Schulalltag ebenso nur profitieren konnten. Inklusion im weiteren Sinne.

Es sollten für die Schule neue Wege beschritten werden, gleichzeitig aber die Erfahrungen anderer Schulen mit ähnlichen Rahmenbedingungen genutzt werden. So wurden vom Kollegium Schulen in ganz Deutschland besucht, die sich durch neue Wege bei ihren Schulkonzeptionen einen Namen gemacht haben. Besonders beeindruckt war man von der Peter-Petersen-Schule in Köln. Diese Schule arbeitet schon seit über 30 Jahren erfolgreich mit dem Konzept einer Jahrgangsmischung der Jahrgänge 1 bis

Ein derartiges Konzept kombiniert mit der Möglichkeiten der schon in der Inklusionsarbeit verankerten Binnendifferenzierung, d. h. jedes Kind lernt mit seinem eigenen Tempo nach einem eigenen Plan nachdem es da abgeholt wurde, wo es sich in seiner eigenen Entwicklung befand, schien auch dem Kollegium der Römerstadtschule geeignet. Das Kollegium entschied sich mehrheitlich für ein derartiges Schulkonzept und das Kollegium schöpfte mit diesem Entschluss Mut für eine hoffnungsvolle weitere Arbeit in diesem Stadtteil, in dem die sozialen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten zunahmen.

Eine jahrelange Überzeugungsarbeit der politisch Verantwortlichen folgte. Erste Anfragen und Anträge schienen zunächst der Ignoranz anheim zu fallen, dann waren erste Fortschritte zu verzeichnen. Die Schule sollte ihr Schulkonzept mit dem in Hessen zulässigen Flexiblen Schulanfang, bei dem die ersten beiden Jahrgänge unterrichtet werden, starten. Dieses Modell ist aber beim Übergang in die höheren Klassen für die Kinder in der Regel mit einem Wechsel der Lehrkräfte verbunden. Weiterhin sah ein Großteil des Kollegiums mit dem sogenannten „Flex“ Probleme bei der eigentlich erwünschten inklusiven Beschulung.

Mit dem klaren Ziel vor Augen, die politisch Verantwortlichen doch noch von den Vorteilen der absoluten Jahrgangsmischung zu überzeugen, ging die Schule auf das Angebot ein. Hilfreich sollte hierbei die praktizierte inklusive Unterrichtsform sein, die durch die 2008 in Kraft getretene UN-Menschenrechtskonvention „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ in den letzten Jahren verstärkt ein politisch umzusetzendes Ziel darstellte.

Im Jahrgang 2010/2011 konnte die Schule dann mit der ersten Stufe der Jahrgangsmischung beginnen. Die beiden ersten Klassen wurden gemeinsam unterrichtet, während die bereits bestehenden Jahrgänge 3 und 4 herkömmlich in ihren Klassenverbänden beschult wurden. Ein enormer Kraftaufwand, der in den personellen und räumlichen Ressourcen enorme Einschränkungen darstellte. Weitere Anträge an die Schulbehörden folgten und mit jedem Jahr wurde der Schule nun die schrittweise Fortführung und Ausweitung der Jahrgangsmischung gestattet.

Seit dem Schuljahr 2012/2013 kann die Schule nun im Rahmen eines Modellprojekts in kompletter Jahrgangsmischung mit den Jahrgängen 1 – 4 unterrichten. Die Schule hat den Status eines Modellprojekts, das mittlerweile eine unumstößliche Anerkennung gefunden hat.

Heute lernen 300 Schüler und Schülerinnen in 6 jahrgangsgemischten Lerngruppen (Klasse 1 bis 4) gemeinsam, wobei die 29 Kinder, die Anspruch auf sonderpädagogische Förderung haben, auf alle Gruppen verteilt sind.

Durch eine entsprechend Verteilung der Lehrkräfte und auch des Förderlehrerpersonals sind für die Lerngruppen mehrere Lehrkräfte verantwortlich. So wird in der Regel eine Doppelsteckung erzielt, auf die andererseits verzichtet wird, wenn der Unterricht jahrgangsgetrennt mit den jeweils zugeordneten Partnergruppen erfolgt. Unterstützung finden die Lehrkräfte auch durch die einigen Kindern mit Förderbedarf zugeordneten Integrationsassistenten. Auf diese Art erfolgt eine teilweise minutengenaue Verteilung der personellen Ressourcen auf die Lerngruppen.

Die Umsetzung des neuen Schulkonzepts und die weitere Arbeit werden von einem außerordentlich engagierten Kollegium getragen. Die meisten Lehrkräfte an der Schule sind im steten Einsatz für die Kinder der Schule. So stehen nicht allein die Vermittlung des Lehrstoffs im Mittelpunkt, sondern auch das soziale Lernen und der Einbezug der Familien.

Einen Focus legt die Schule auf den Aufbau eines Ganztagsangebotes das Angebot von Mittagessen. Leider fehlen der Schule bislang die Räumlichkeiten, für ein umfassendes Angebot an alle Kinder der Schule. Mit dem bereits genehmigten Neubau und der damit beinhalteten Mensa können zukünftig mehr Kinder an der Schule essen und ihren weiteren Alltag an der Schule bestreiten. Im Rahmen des Ganztagsangebots können die Kinder in den Genuss eines durchgängigen und einheitlichen pädagogischen Konzeptes kommen, das auch einen besseren Zugang zu den Familien ermöglichen soll. So können für die Lehrkräfte durch damit verbundene sozialpädagogische Unterstützung möglicherweise die heute in hohem Maße üblichen Tätigkeiten entfallen, welche eigentlich in den Bereich der Sozialarbeit fallen. Schon seit Jahren wird bislang unerfüllt eine der Schule zugeordnete Schulsozialarbeit gefordert, damit sich die Lehrkräfte auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können.

Demokratisches Lernen und Mitwirken in der Schule wird u. a. durch das Gremium des Schülerrates eingeübt und ermöglicht. Eine jährlich stattfinde schriftliche Befragung der Kinder unterstützt das Bestreben, die Probleme, aber auch Interessen und Wünsche der Kinder zu ermitteln.

Vieles an der Schule wird von ehrenamtlichem Engagement getragen. Die Betreuung der Schulbücherei, Unterstützung im Unterricht sowie Teile der Projektarbeit sind nur durch die Arbeit von Eltern und anderen Ehrenamtlichen aufrecht zu erhalten.

Wege in die Familien bzw. Unterstützung der Familien werden von der Schule ebenso gesucht und beschritten. Durch das Projekt „Erstklassige Übergänge – ein Elterncafé“ können insbesondere die Eltern von angehenden Erstklässlern in dem von der Schule und der Erziehungsberatungsstelle der Caritas betriebenen Elterncafé Einblicke in die Schule gewinnen und Unterstützung für den Übergang zum Schulleben ihrer Kinder erhalten. Diese Einrichtung des Elterncafés in ein wichtiges Bindeglied zwischen Schule und den oftmals schwer zu erreichenden Familien der Nordweststadt.

Einigen Müttern mit Migrationshintergrund wird es an der Schule ermöglicht, aus dem Analphabetismus durch selbstinitiiertes und selbstorganisiertes gemeinsames Lernen einen Weg zu suchen und zu finden.

Seit dem Schuljahr 2012/2013 ist die Schule „Selbstständige Schule“. D. h. dass die Schule über bestimmte finanzielle Mittel, die früher oftmals ungenutzt verstrichen sind, heute selbstständiger und zielorientierter verfügen kann.

Soziales Lernen und ein achtungsvoller Umgang miteinander sind die Leitgedanken der Schule, die seit der Einführung der Jahrgangsmischung im Schuljahr 2010/2011 einen noch größeren Raum einnehmen, ohne den sonst üblichen Bildungsauftrag einer Grundschule zu vernachlässigen.

Die Römerstadtschule hat beim Deutschen Schulpreis 2014 den zweiten Platz erlangt.

Aus dem Besuch leiten wir folgende konkrete Forderungen zur Unterstützung der Schule ab:

  • Neubau bzw. Sanierung bestehender Bauten im Sinne einer optimalen Umsetzung des Schulkonzepts

  • Kontinuierliche und zuverlässige Zuweisung von Lehrerstellen und Stammförderlehrer

  • Unterstützung des Elterncafés mit seiner wichtigen Wirkung für die Familien

  • Unterstützung bei weiteren schulübergreifenden, in den Stadtteil wirkenden Maßnahmen bzw. Projekten

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